In nahezu jeder Kultur gibt oder gab es Feste zum Dank für eine gute Ernte. In Amerika begann man vor etwa vierhundert Jahren, zur Zeit der ersten Siedler, Thanksgiving als Dank- oder Erntedankfest zu feiern.
Im Jahre 1620 segelte ein Schiff mit über hundert Menschen, die sich in der Neuen Welt niederlassen wollten, über den Atlantik. Sie waren Vertreter einer Religionsgemeinschaft, der Zweifel an den Glaubensgrundsätzen der Church of England gekommen waren und die sich daher von ihr lösen wollten. Diese Pilgrims besiedelten den heutigen Bundesstaat Massachusetts. Der erste Winter in der Neuen Welt war hart. Die Pflanzzeit für viele Getreidesorten war schon vorüber, als sie ankamen, und so starb die Hälfte von ihnen aus Mangel an frischer Nahrung und an den daraus resultierenden Krankheiten. Im darauf folgenden Frühling zeigten ihnen die Irokesen, wie man Mais anbaute, ein neues Nahrungsmittel für die Siedler. Von den amerikanischen Ureinwohnern lernten sie auch den Anbau anderer Feldfrüchte auf dem unbekannten Boden sowie Jagen und Fischen.
Im Herbst des Jahres 1621 erntete man reichlich Mais, Gerste, Bohnen und Kürbisse. Die Siedler hatten viel für das sie dankbar sein konnten und richteten daher ein Fest aus. Sie luden den nahe lebenden Häuptling und 90 Ureinwohner dazu ein. Sie brachten Rehfleisch, das gemeinsam mit den Truthähnen und anderem Wild, das die Siedler hatten, am Rost gebraten wurde. Die Siedler hatten von den Ureinwohnern gelernt, wie man Preiselbeeren sowie verschiedene Mais- und Kürbisgerichte zubereitet. Zu diesem ersten Thanksgiving-Fest hatten die amerikanischen Ureinwohner sogar Popcorn gebracht.
In den Jahren darauf feierten viele der ersten Siedler die Herbsternte mit einem Dankesfest. Nachdem die Vereinigten Staaten unabhängig geworden waren, empfahl der Kongress, dass die ganze Nation einen Tag des Jahres Erntedank feiern solle. George Washington schlug den 26. November als Thanksgiving Day vor. Dann, 1863, gegen Ende eines langen und blutigen Bürgerkrieges, forderte Abraham Lincoln alle Amerikaner auf, den letzten Donnerstag im November als einen Tag des Dankes zu begehen.*
Thanksgiving-Symbole
Truthahn, Mais, Kürbisse und Preiselbeersauce stehen für das erste Thanksgiving-Fest. Heute findet man alle diese Symbole auf Festtagsschmuck und Grußkarten. Mais bedeutete für die frühen Siedler Überleben. Mais („Indian corn“) als Tisch- oder Türschmuck ist ein Symbol der Ernte und des Herbstes.
Süßsaure Preiselbeersauce oder Preiselbeergelee fand sich am ersten Thanksgiving-Tisch und wird auch heute noch serviert. Die Preiselbeere (Krannbeere) ist klein und sauer. Sie wächst in Sümpfen oder Feuchtgebieten in Massachusetts und anderen Neuenglandstaaten. Die amerikanischen Ureinwohner verwendeten sie zur Behandlung von Infektionen. Mit dem Saft färbten sie ihre Teppiche und Decken. Sie brachten den Siedlern bei, wie man die Beeren gesüßt und mit Wasser versetzt zu einer Sauce kocht. Die amerikanischen Ureinwohner nannten sie „ibimi“, „bittere Beere“. Die Siedler nannten sie „crane-berry“ („Kranich-Beere“) nach ihrer Blüte, die den Stiel bog, sodass die Pflanze dem langhalsigen Kranich glich. Daraus wurde dann „cranberry“ für Preiselbeere (Krannbeere). Die wenigsten wissen jedoch, dass jede einzelne Beere vor dem Verpacken und Versenden zumindest 10 cm hoch springen muss – daran sieht man, dass sie nicht zu reif ist!
1988 fand in der Kathedrale von St. John the Divine eine Thanksgiving-Feier der ganz besonderen Art statt. Über viertausend Menschen versammelten sich am Abend des Thanksgiving-Tages, darunter indianisch-stämmige Amerikaner, stellvertretend für die Stämme im ganzen Land sowie Nachkommen der Einwanderer, die in die Neue Welt gekommen waren. Die Feier war eine öffentliche Anerkennung der Rolle der amerikanischen Ureinwohner beim ersten Thanksgiving-Fest vor mehr als 350 Jahren. Bis vor kurzem hatten die meisten Schulkinder gedacht, die Pilgrims hätten das ganze Thanksgiving-Mahl alleine gekocht und den amerikanischen Ureinwohner aufgewartet. Der eigentliche Sinn des Festes war es, den Ureinwohnern dafür zu danken, dass sie den Einwanderern beigebracht hatten, wie man all diese Speisen zubereitet. Ohne die amerikanischen Ureinwohner hätten die ersten Siedler nicht überlebt.